H i s t o r i s c h e r    A b r i ß









Allgemeine Geschichte Briesen

 
(Zusammengefaßt und beschrieben 2008 von R. Kramarczyk)

 

Der Ortsname Briesen stammt aus dem slawischen / indogermanischen Wort für Birke (Berke, Breze, Bryzinie) ab und hieß ursprünglich Birkendorf. Die Birke ist der heimische Baum und nicht etwa die Fichte oder Eiche, die heute so verbreitet sind. Der Ortsname ist seit dem 14. Jahrhundert belegt (brezen, breza, bryzin oder bressen, 1354 Briessen, 1403 Brisen, 1438 Briesen) als Ort, wo es viele Birken gibt. Später nannte man unser Gebiet auch die "große Heide“, denn im Einzugsgebiet der Spree befanden sich ausgedehnte Sümpfe, Moore und Heidelandschaften.

Um die Entstehung des Ortes Briesen beschreiben zu wollen, sollte man die gesamte Mark Brandenburg in graue Vorzeiten beleuchten. Gäbe es vor 24.000 Jahren schon Fotografien, wäre Briesen auf dem Foto ein weißes Bild, denn es herrschte die letzte große Eiszeit. Briesen lag unter einer kilometerdicken Eisplatte. Keine Pflanzen und keine Tiere konnten hier leben.
 
Vor 12 - 10.000 Jahren endete diese Eiszeit und eine recht stabile Warmzeit (die bis heute anhält) drängte das Eis zurück nach Norden. Der Meeresspiegel stieg um einige hundert Meter an und das Klima wurde feuchter und wärmer.
Seit vielen tausend Jahren fielen nun die ersten Sonnenstrahlen auf den märkischen Sandboden.
Doch noch war es eine Geröllwüste, schlammig und glattgeschliffen. Es dauerte noch viele Jahrhunderte, bis das Schmelzwasser abfloß und die erste Vegetation entstand. Zu dieser Zeit entwickelten sich schon die ersten Hochkulturen der Menschen in Ägypten und um das Mittelmeer, doch in unserer märkischen Heimat war absolut nichts los.
Ein herrenloses und menschenleeres Land. 

Vor 6000 Jahren entstand fernab von hier inzwischen die sumerische Kultur und vor 5000 Jahren bildeten sich die ersten Staaten heraus, doch die Mark Brandenburg blieb ein weißer Fleck im unberührten Norden Europas. 

Für eine Besiedlung in vorgeschichtlicher Zeit gibt es bislang keine Beweise. Funde gibt es zwar aus der jüngeren Steinzeit (4000 v.Chr. aus unterschiedlichen Kulturkreisen) aus dem Kreisgebiet um Fürstenwalde. Es waren Ratsplätze von Jägern und Sammlern, die durch die norddeutsche Ebene zogen.
Doch feste Siedlungen waren eher unwahrscheinlich.
Das Gebiet war einfach zu öde, um seßhaft zu werden. Kein Paradies für Menschen! 
Es vergingen noch einige Jahrhunderte bis zur ersten wirklichen Besiedlung. 

Klar ist, daß entlang der Spree dann Menschen lebten, die später seßhaft wurden. Bekannt ist auch, daß um 2000 bis 1000 v. Chr. die Illyrer aus dem Donaugebiet in das märkische Land vordrangen.
Aus dieser Epoche, der späten Bronzezeit, sind schließlich die ersten Siedlungen bekannt. 

Um 500 v.Chr. bis 100 v.Chr. gab es die ersten nennenswerten Völkerwanderungen und die Westgoten oder Burgunder tauchten in unserem Gebiet auf, die schließlich die Illyrer verdrängten. Große Spuren haben sie nicht hinterlassen. 

Inzwischen stieg das römische Reich (um 200 n. Chr. größte Ausdehnung in Europa) zur Weltmacht empor.
Es waren schließlich die Römer, die auch gezielt nach Nordeuropa strebten. Dort war noch Niemandsland, Barbaren, wo wenig Menschen (wilde und primitive Nordmenschen) wohnten.

Auch die Römer konnten keine nennenswerten Zeugnisse hinterlassen. Bis in die Mark Brandenburg drangen sie nie richtig vor und was wollten sie auch in dieser Einöde? 

Es folgten die Germanen, die sich zeitweise ansiedelten.

Das römische Kaiserreich nannte sie Barbaren, weil sie keine Städte bauten und sich dem Imperium nicht unterwerfen wollten. Sie trugen Felle, kannten keine Schrift und keine einheitlichen Gesetze und waren höchst kriegerisch veranlagt.

Rom zog sich nach vielen Kämpfen und Niederlagen an Rhein und Elbe zurück, baute um 85 n.Chr. den Limes (Grenzwall), romanisierte den Westteil und ließ das freie Germanien im Osten außerhalb des römischen Reiches liegen.

Die Germanen waren ein buntes Völkergemisch mit keltischem Ursprung, die alle möglichen Volksstämme in sich aufnahmen, ohne sich selber Germanen zu nennen. Jede noch so kleine Volksgruppe konnte sich den Germanen anschließen und Teil der losen Gemeinschaft werden. Meist herrschten und bekämpften sich die Familiensippen gegenseitig. 

Als um 1840 die Eisenbahnstrecke mit großem Bahnhof durch Briesen gebaut wurde, fand man bei Bauarbeiten eine Steinaxt aus dem 2.-3. Jahrhundert. Dieser Fund ist heute im Fürstenwalder Museum zu besichtigen.
Für Briesen ein konkreter Nachweis ursprünglicher Vorfahren. 

Um 350 n.Chr. überrannten die Hunnen Europa und die große Völkerwanderung setzte ein. Dieses Nomadenvolk kam aus dem Nichts (vermutlich aber aus der asiatischen Steppe) und unterwarfen die germanischen Stämme. Panik brach aus und eine Massenflucht löste die größte Völkerwanderung aus. Attila, der von 434 bis 453 Hunnenkönig war, zog selber nicht durch die Mark Brandenburg, sondern strömte nach Südwesten bis Italien und Gallien vor.

Dann (nach empfindlichen Niederlagen) verschwanden die Hunnen so plötzlich, wie sie gekommen waren. Doch dieses Nomadenvolk veränderte durch die ausgelösten Wanderungen maßgeblich das Gesicht Europas. Ganze Völker suchten neues Siedlungsgebiete, vermischten sich teilweise, verschwanden auch völlig von der Weltbühne und neue Völker entstanden. Wie ein Kartenspiel wurde Europa neu gemischt und verteilt. 

Die Germanen gingen westwärts (um mal kurz das römische Reich zu stürzen) und ab dem 4. Jahrhundert verschwanden die germanischen Volksgruppen aus unserem Gebiet.

Um 500 n.Chr. kamen die Slawen aus dem Osten (ab dem 2. Jahrhundert bereits die Semnonen, die sich später mit den Alemannen vereinten) ins Gebiet unserer Vorväter. Ursprung der Slawen oder Wenden war das Gebiet nördlich der Karpaten. Heute haben weite Teile Europa slawischen Ursprung (Rußland, Polen, Ostdeutschland, Tschechien bis Kroatien und Bulgarien). Sie lebten von Fischfang, Ackerbau und Viehzucht und liebten das seenreiche Sumpfgebiet. Ihre Sprache und Kultur breitete sich aus und prägte viele Ortsnamen. Bis heute haben viele Ortsnamen einen slawischen Ursprung. 

Die Slawen besiedelten nun endgültig das Gebiet. Nachweislich um 700 bis 1100 n.Chr. gab es ein Dorf am alten Gollingsee, der später trockengelegt wurde. Der Gollingsee reichte ursprünglich bis an den Kersdorfer See und wurde noch bis etwa 1910 mit Fischerbooten befahren. Als die Autobahn (1934 Baubeginn und 1937 Fertigstellung) einen festen Untergrund brauchte und das gesamte Gebiet trockengelegt wurde, war der Gollingsee bereits weitgehend versumpft. Hier fand man die ersten Spuren einer festen Siedlung. Die Reste der alten Slawenhäuser zeigten, daß wahrscheinlich das Dorf abbrannte. Es ist möglich, daß diese Bewohner in Kersdorf eine neue Siedlung gründeten. Die alte „Gollingsiedlung“ war an 3 Seiten mit Wasser umgeben und die Häuser hatten einen Durchmesser von 3 bis 4 Meter. Sie standen kreisförmig um einen freien Dorfplatz. Es fanden sich Scherben und Tongefäße, womit man das Alter der Siedlung damals bestimmen konnte. Das kleine slawische Fischerdorf war zwischen 1000 und 1500 Jahre alt. Durch den Autobahnbau wurde die historische Ausgrabungsstelle schließlich vernichtet. 700 Meter südlich des Ufers hat sie sich befunden. Die Slawen, die über das Oder-Wisla-Gebiet kamen, gelten damit als unsere tatsächlichen Vorfahren. 

Unter Kaiser Otto I. wurde das heidnische Land christianisiert und 948 entstand das Bistum Brandenburg, 968 das Erzbistum Magdeburg als Machtzentrale. Die kleinen Siedlungen an den Ufern der Spree blieben aber weiterhin ziemlich unbeachtet.

Doch besonders unter Kaiser Otto verstärkten sich die Versuche zur Unterwerfung der slawischen Gruppen. Im Jahre 983 kam es dann zum großen Slawenaufstand mit dem Ziel der slawischen Unabhängigkeit. Nur die Sorben blieben unter deutscher Herrschaft als eigenständige Minderheit bis heute erhalten.

Als Anwort darauf begann 1147 der Wendenkreuzzug mit der militärischen Unterwerfung der Slawen, die damit ihre Eigenständigkeit endgültig verloren. 

Unter Albrecht I., der Bär, wurden Mitte des 12. Jahrhunderts Bauern und Handwerker aus dem Westen vermehrt in Brandenburg angesiedelt. 

Unabhängig davon gab es im Mittelalter die üblichen Kriege und Plünderungen auf unserem Heimatboden. Es entstanden Klöster und Burgen im Kreisgebiet, die reichen Tempelritter drangen bis in diese Gegend vor (Tempelberg, Heinersdorf und Trebnitz) und wurden nach ihrer Zerschlagung durch die Johanniter ersetzt. 

Raubritter zogen durchs Land und plünderten die kargen Dörfer und Siedlungen.

Markgrafen und Bischhöfe stritten um das Gebiet und allgemein herrschte Chaos im Lande zwischen Oder, Spree und Havel. Es war halt das Mittelalter mit Ritter- und Ordenslehen. Keine schöne Zeit für die Siedler und ihre Familien. 

Der brandenburgische Markgraf Albrecht II. kaufte wahrscheinlich um 1215 große Teile des Landes Lebus (Kreisgebiet zwischen Oder und Spree) als herrschaftliche Lehen.

Um 1250 wurde die Stadt Fürstenwalde gegründet und 1368 wurde Frankfurt (bis ins 16. Jahrhundert) zur Hansestadt. Im 12.Jahrhundert entstanden Berlin und Kölln, die 1307 vereinigt wurden. Das 13. Jahrhundert war das Gründungszeitalter vieler Ortschaften der Mark Brandenburg. 

Es gab eine alte Heeres- und Handelsstraße (etwa parallel zur heutigen Autobahn) zwischen Berlin und Frankfurt, die immer mehr an Bedeutung gewann. 

In dieser Zeit (um 1200) wird Briesen als feste Hirten- und Bauernsiedlung entstanden sein. Das nachweisliche Gründungsjahr ist umstritten, kann aber erst für das Jahr 1403 als urkundliche Nennung gelten. Kersdorf war hingegen ein kleines Fischerdorf (Mühlengraben /Kersdorfer Fließ) und gehörte ursprünglich nicht zu Briesen. 

Die meisten Dörfer waren im 14. und 15. Jahrhundert Eigentum der Lehnsherren oder Besitztümer von Klöstern.

Heinersdorf und Tempelberg gehörten den Johannitern. Briesen, Arensdorf und Jacobsdorf wurden dem ehrwürdigen Kartäuserorden in Frankfurt (1495) übertragen.

Die Kurfürsten nahmen diese Dörfer zwar zeitweise in Besitz aber bis Mitte des 16. Jahrhunderts war Briesen praktisch ein Mönchsgut von Frankfurt. 

Um 1430 gehörte die größere Dorfhälfte Heinrich Slawendorf, später die Familie Strantz, die kleinere Hälfte Otto von Lossow, der ab 1438 Teile an das Karthäusergut (seit 1396 in Frankfurt) verkaufte.

1460 hatte Briesen 24 Hufe (184 ha) und im gleichen Jahr verkaufte die Familie Strantz die Briesener Wassermühle, einen Krug (Gasthaus) uns die Madlitzer Mühle an das Kloster. 1495 war fast das gesamte Dorf an das Karthäuserkloster verkauft.

Kersdorf mit dem Kerstorter See gehörte unterschiedlichen Familien und hatte ursprünglich keinen Acker
(1460 von nur 1 Schulzen und 6 Fischern bewohnt). Die Familie Wulff besaß noch bis 1804 Teile und Güter von Kersdorf.

Eine Kirche hatte nur Briesen und bildete mit Kersdorf eine Kirchengemeinschaft. Die alte Kirche war ein Fachwerkbau mit Turmuhr und wurde 1830 wegen Baufälligkeit geschlossen.
1838 wurde auf dem Dorfanger eine neue Kirche eingeweiht. 

Als 1506 die Frankfurter Universität (erste Uni der Mark Brandenburg, wurde 1811 nach Breslau verlegt) gegründet wurde und die Reformation sich ausbreitete, wurden die Klöster 1540 enteignet und aufgelöst und viele Besitztümer wie Briesen mit samt der Heide der Universität zuerkannt.

Damit wurde Briesen zum Universitätsdorf (trotz Abgaben mit zahlreichen Vergünstigungen).

Zu dieser Zeit nannte man Briesen noch „die große Heide“, wo Gras, Stroh, Torf und Holz ziemlich unkontrolliert abgebaut wurden. 1575 verstaatlicht Kurfürst Johann Georg die Universitätsgüter und erklärt alle Vergünstigungen für null und nichtig.

Aber erst im Jahre 1881 wurde Briesen eine eigenständige Gemeinde.

1417 fiel das Bistum Brandenburg an das Haus Hohenzollern und ab 1473 wurde die Einheit der Mark Brandenburg vollzogen. 

Doch dann folgte der 30-jährige Krieg (1618 bis 1648) zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen Habsburg und dem Reich. Brandenburg erleidet die schlimmsten Folgen. Gutsherr von Wulfen beklagte danach, daß in seinem Dorf Madlitz nur noch ein einziger Bauer übrig war.

In Briesen überlebten nur 7 Menschen (die hatten sich gut in den Wäldern versteckt) den Krieg und das gesamte Land war verwüstet, entvölkert und gebrandschatzt.

Die alte Heeres- und Handelsstraße wurde für Briesen nun zum Verhängnis, denn Briesen lag dadurch immer auf dem Weg der glorreichen Krieger und Plünderer. 

Erst um 1700 waren die Heidedörfer wieder aufgebaut und die Bevölkerungszahl wuchs langsam wieder an. 
1679 wird eine neue Kirche gebaut (1830 wieder abgerissen)

Im Jahre 1654 besteht Briesen aus 22 Bauernhöfe, einen Schmied und einen Müller, einen Hirten und einen Schäfer und einige Kossäten (Kleinbauern, Tagelöhner). 

Am 9. März 1678 wurde in Briesen die letzte Hinrichtung auf dem Galgenberg vollzogen.

Erdmann Ladewig raubte bei Nacht eine Kirche aus und „wurde nach Urteil und Recht gehenkert“. 

Briesen war inzwischen mit den ausgedehnten Wäldern ein beliebtes Jagdrevier.

Ab 1701 ernannten sich die Kurfürsten von Brandenburg zu Könige von Preußen.

Kurfürst Friedrich III. (ab 1701 der erste König von Preußen, in Königsberg gekrönt) schoß 1696 einen kapitalen Hirsch mit 66 Enden und einem Gewicht von 535 Pfund (267,5 kg). An dieser Stelle wurde ein Hirschdenkmal errichtet.
Dieser Hirsch schrieb Geschichte und landete als Trophäe leider nicht in Briesen, sondern im Schloß Moritzburg. Schließlich wurde der Hirsch später zum Wappentier der Gemeinde Briesen. 

1713 folgt Friedrich Wilhelm I. auf den preußischen Thron. Ihn nennt man später den Soldatenkönig, weil er umfangreiche Militärreformen (preußische Garde) durchführte. Seine anderen Reformen (wie 1722 die Schulpflicht) wirkten sich auch auf Briesen aus.

Er gab auch den berühmten 66-Ender an August den Starken. Der Preußenkönig Friedrich II. (König ab 1740) wurde bekannt als Friedrich der Große. Er förderte maßgeblich die Besiedlung seiner entvölkerten Gebiete.

Durch Reformen in der Landwirtschaft, aber auch im Staats- ,Rechts- und Bildungswesen blühte die Gegend wirtschaftlich und strukturell auf. 

Doch vorerst gab es wieder Kriege und diesmal mit preußischer Anstiftung. Die Schlesischen Kriege (ab 1740 bis 1745 mit kurzen Unterbrechungen) waren Friedrichs II. erste Handlungen. Dann eine kurze Kampfpause und weiter ging es auf den Schlachtfeldern.

Der siebenjährige Krieg (1756 bis 1763) war recht kurz, aber nicht weniger heftig.

Er endete 1763 mit dem Frieden von Hubertusburg.

Preußen erholte sich und festigte seine Macht im europäischen Schachspiel.

Jetzt hatten die Briesener wieder Zeit zum Aufbau. 

Briesen und Kersdorf waren aber nur kleine Siedlungen, ohne feste Straßen. Ein typisches Dorf zum Beginn des 19. Jahrhunderts. 1801 standen um den Briesener Dorfanger nur 47 Häuser mit 47 Feuerstellen. Aber es gab schon einen Krug, also eine kleine Kneipe. Der Ort entwickelte sich bis dahin munter weiter, als 1809 ein Großbrand das halbe Dorf verwüstete.

Die Hirtenhäuser brannten nieder und danach blieb der Platz am heutigen Dorfanger eine freie Fläche. Nur die alte Schmiede, die um 1806 gebaut wurde und die über 180 Jahre bis heute in Familienbesitz verblieb, wurde vom Feuer verschont. Die Häuser wurden an einer anderen Stelle (heutige Müllroser Straße) und nicht mehr so eng aufgebaut. Außerdem gab es weniger Holzhütten und dafür festere Lehmhäuser.

1810 kam im Rahmen der großen Bildungsreform der erste Beamtenlehrer (preußisch und staatsbedienstet) nach Briesen.

Immerhin führte der Soldatenkönig 1722 in Brandenburg (als erstes Land überhaupt) die allgemeine Schulpflicht ein. Doch in Briesen gab es schon seit 1575 nachweislich eine gemeindeeigene Dorfschule, die getrennt von der Küsterei war. 

Der Friede hielt nicht lange. Wieder gab es Krieg, der über das Land zog. Es war ein kleiner Mann mit großer Gier, der schon ziemliche Parallelen zu einem späteren Möchtegern-Weltherrscher aufzeigte.

Als 1789 die blutige Französische Revolution ausbrach und die Monarchien beendete, witterte Napoleon seine große Chance. 1804 krönte er sich selber zum Kaiser einer neuen Republik und ging in die Geschichte ein. Zwei Jahre später marschierte er als Bezwinger Preußens durch Berlin. Und nun ging es nach Osten.

Napoleon und seine Truppen standen 1812 vor Moskau und Briesen lag mal wieder auf dem Weg einer glorreichen Armee. Es sollen wohl über eine halbe Millionen Krieger gewesen sein, die durch unser Gebiet zogen und versorgt werden mußten. Wo diese Massen durchzogen, herrschte Chaos. Doch Moskau wurde (durch Feuer) selbst geopfert und der Wintereinbruch löste die Grande Armee fast vollständig auf. Damit war auch der Untergang Napoleons eingeleitet und 1815 endgültig besiegelt. Wenigstens lernte er im Osten die russische Kälte und in Briesen die bekannten „Pommes Fritz“ kennen, die 1759 hier erfunden wurden.

Das Zentrum wurde nach dem Brand von 1809 nicht wieder aufgebaut und die neuen Häuser und Scheunen mußten außerhalb angesiedelt werden (Freiheitsloose). Fast 30 Jahre blieb der Dorfanger eine freie Fläche.

Die alte Dorfkirche war inzwischen so baufällig, daß sie 1830 gesperrt wurde. Eine neue Kirche auf dem leeren Dorfanger wurde errichtet und 1838 eingeweiht. Im gleichen Jahr gab es eine Volkszählung in Briesen. In einer Liste wurden 88 Familien namentlich festgehalten. 1840 werden 59 Häuser in Briesen gezählt. 

Preußen stieg nun endgültig zur europäischen Macht empor. In einer Epoche, als die Königshäuser in Europa ihre Macht an die bürgerlichen Parlamente abgeben mußten, wurde die Monarchie in Preußen erst einmal gefestigt.

 

 

Die große Blütezeit von Briesen

 

Und nun kommt eine enorme Entwicklung auf Briesen zu, denn 1842 wird die Eisenbahnlinie zwischen Berlin und Frankfurt eröffnet und nur Briesen hat zwischen Fürstenwalde und Frankfurt gleich eine wichtige Haltestation. 
Der Bahnhof wird mit einem Restaurant gebaut und verpachtet. Die Postkutschen hatten nunmehr ausgedient und Bahngleise (vorerst aber eingleisig) durchschnitten die märkische Landschaft.

Für die gesamte Umgebung wird Briesen zum Umschlagsort für Waren aller Art. Die Einwohnerzahl wächst rapide und viele Kinder brauchen eine neue Schule, die zwischen 1865 und 1868 errichtet wird. Von dieser Schule ist heute nur der Bauplan erhalten geblieben. Später, ab 1904, entstand dort das Mühlengut von Otto Meyer, heute das Gasthaus steht. Das ältere Schulmeisterhaus wurde später zur alten Apotheke in Briesen. 

1870 baute man die Verbindungsstraße nach Sieversdorf zum Anschluß an die Verkehrsstraße Berlin-Frankfurt. 1871 gründet Kaiser Wilhelm I. das Deutsche Kaiserreich. 

Dann taucht Hermann Jeske 1877 in Briesen auf, kauft das Wasser-Mühlengut und baut (1880) ein großes Dampfsägewerk. Die Erfindung der Dampfmaschine 1776 durch James Watt läutete weltweit eine technische Revolution ein, die auch in Briesen Auswirkungen zeigte. 

Im Jahre 1878 gründet Jeske sein Holz- und Baugeschäft und den Militärverein in Briesen. Er fördert später aktiv die Glashütte, wirbt Glasarbeiter aus Böhmen und Süddeutschland an, zieht sich dann aber wieder zurück. Die Glashütte „ M. Schreiber & Co“ wird im Mai 1889 in Betrieb genommen und stellt ausschließlich Beleuchtungsartikel her. Das Comtoir und Musterlager befindet sich bei L. Oettinger in Berlin. Schreiber war zu der Zeit der bekannteste Glasfabrikant im gesamten Gebiet. Die Glasarbeiter erhielten ebenfalls Aktien, ohne daß sie dafür eine Rendite bekamen. Zeitweise arbeiteten über 250 Glasmacher in Briesen. 

Im September 1882 führt die Garde-Division auf den Petersdorfer-Jacobsdorfer Feldern ein großes Manöver durch. In Briesen werden 7000 Mann und 300 Pferde untergebracht. Sie kommen mit 5 Dampfzügen mit je 50 Waggons. 
Ein Jahr später rücken sogar 6 Divisionen mit 8000 Mann in Briesen ein. Der Gasthof Alter (am Bahnübergang) versorgt allein 2 Bataillone und 170 Offiziere (mit 49 Zentner Brot, 22 Tonnen Bier). 

Jeske betrieb weiterhin sein modernes Sägewerk, baute im Auftrag 1903 die alte Post, 1905 die neue Schule, zahlreiche eigene Wohnhäuser und seine Villa. 

Im April 1894 eröffnet Otto Titel die Briesener Bierbrauerei im Hüttenviertel.

Er stellt Weiß- und Braunbier her und benutzt seine eigenen Prägeflaschen. 

Mann nennt diese Epoche um 1880 die Gründerjahre, weil Berlin-Preussen durch die erpreßten Kriegsgewinne einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erreichte.

Im Januar 1871 wird im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich mit dem Kaiser Wilhelm I. proklamiert.

Fürst Otto von Bismarck gilt als Architekt des Deutschen Kaiserreiches. Er war ab 1862 preußischer Ministerpräsident und ab 1867 Reichskanzler. Er sorgte dafür, daß Preußen am Ende die Deutsche Nation anführte. Später wurde er von Wilhelm II. in die Wüste geschickt und verfiel der Trunksucht. Trotzdem wurde er von einer großen Öffentlichkeit verehrt. Dafür wurden unzählige Gedenksteine, Türme und oft sehr massige Statuen für Bismarcks errichtet. 
Auch in Briesen stand von 1908 bis in die DDR-Zeit hinein ein Bismarckdenkmal des Handwerkervereines auf dem Dorfanger. 

Bereits 1884 bekam Deutschland seine ersten Kolonien (Togo, Kamerun, Südwestafrika) in Afrika. Später kam Ostafrika dazu und Kolonialwaren-Geschäfte entstanden auch in Briesen. Es ist das Jahr 1888, als Briesen sich zum Industrieort entwickelt. 

Im Jahre 1889 wurden der neue Oder-Spree-Kanal und die Kersdorfer Schleuse (1890) fertig gestellt. 
Über 100 Kanalarbeiter wohnten zeitweise in Wohnbaracken und ein Bau-Restaurant betrieb A. Timm für die Feierabendversorgung. Am 1. Mai 1891 wurde der Kanal offiziell eingeweiht. 1893 wurde der Gasthof „Zur Kanone“ (H. Hartwich) nahe der Kersdorfer Schleuse eröffnet. Hier kamen regelmäßig Ausflugsdampfer aus Fürstenwalde und anderen Städten an.

Außerdem entstanden um die Jahrhundertwende zahlreiche Gewerke, Gasthöfe, Geschäfte und Häuser. 
Briesen erreichte eine wahre Blütezeit. 

Um 1900 wurden in Briesen 112 Häuser, 2 Getreide- und Schneidemühlen, 1 Glasfabrik und 1 Zementwarenfabrik verzeichnet. Kersdorf wurde mit 47 Häuser und 1 Schneidemühle erwähnt.

Inzwischen lebten 1300 Menschen in Briesen, viele Lohnarbeiter der Glashütte, Mühlen, Fabrik für Schnellwerkzeuge (1900 bis 1924), ab 1912 die Batteriefabrik Zeiler, ab 1925 Textilfabrik Brandt (davor die uralte Wassermühle in Kersdorf), Eisenbahn, Tischlereien, Gärtnereien und andere Firmen.

Im Gegensatz zu den Bauern hatten die Lohnarbeiter eine geregelte Arbeitszeit und brachten ihren Lohn nach Feierabend oft in die Kneipen und Tanzsäle, die an jeder Ecke entstanden. 

In dieser Epoche kam 1 Arzt auf über 1000 Einwohner, aber gleichzeitig 1 Kneipe für 140 Einwohner, wobei die älteren Kinder mitgezählt sind. Vielleicht lag es an die zahlreichen Gasthäuser und Kneipengänger, jedenfalls erhielt 1903 Briesen eine eigene Apotheke, ab 1908 eigenständig im Haus der alten Dorfschule. 

1908 wurde die Freiwillige Feuerwehr offiziell gegründet, aber es gab schon viel früher eine kommunale und eine betriebliche Bürger- und Feuerwehr (Gemeindespritze und Glashüttenspritze, Eisenbahn). Im Spritzenhaus der Gemeinde befand sich auch eine kleine Gefängniszelle, die hin und wieder als Gefängnis und als Leichenhalle genutzt wurde. 
Es gab ein Fenster, durch das man mit den Insassen offene Gespräche führen konnte. Darüber gab es 1910 eine Beschwerde, weil eine Frau als Insassin tagsüber von der Dorfjugend und nachts durch eine Leiche belästigt wurde. 
Der bekannteste Häftling, der kurzzeitig dort eingesperrt wurde, war 1937 der Serienmörder Roloff. 

Ab 1883 führte Preußen die gesetzliche Krankenversicherung für alle Arbeiter im Deutschen Reich ein, ab 1884 die Unfallversicherung und ab 1889 die Rentenversicherung.

Zu dieser Zeit (1888 bis 1918) wurde Wilhelm II. der Deutsche Kaiser. Er besuchte nachweislich mehrmals Briesen und die Umgebung. Willhelm II. ging leidenschaftlich gern und regelmäßig zur Jagd in den Madlitzer Forst. Mindestens einmal im Jahr kam ab 1892 sein Sonderzug (prächtige Salonwagen) nach Briesen. Sein Auto stand auf dem Gelände der Villa Jeske und fuhr die Kaiserliche Fracht vom Bahnhof zum Madlitzer Forst oder zum Gutsherrn Graf von Finckenstein. Der Empfang am Briesener Bahnhof war jedes Mal ein lokales Ereignis und alle Ortsvereine und Schulkinder standen Spalier.

Vereine gab es in Briesen unglaublich viele: Militärverein (1878), Kriegerverein (um 1882), Konservative Verein, später Konservative Partei (1882), Bauernverein (1885), Männerchor ( 1889), Jungfrauen (1891), Männerturnverein (1893), Beleuchtungsverein (1895), Handwerkerverein (1895), Spar- und Darlehnskassenverein (1898), Rauchklub Kornblume (1900), Radfahrerverein (1904), Vaterländische Frauenverein (1906), Briesener Arbeiterschaft (1910), Bund der Landwirte (1911), Flottenverein (1912), Lotterieverein (1913), u.v.a. 

1894 wurde in Kersdorf eine eigene Schule für 50 Schüler gebaut und eingeweiht.

Gab es in Briesen 1888 noch 200 Schüler, so stieg die Zahl 1894 auf 270 Schüler

(2 Lehrer) an. 1898 kommt ein 3. Lehrer nach Briesen. 1900 wird ein Schulneubau für Briesen geplant, 1902 beschlossen und 1904 fertig gestellt. Das große Schulhaus hatte auch eigene Lehrerwohnungen und ist heute das sanierte Ärztehaus in Briesen. Das Eheverbot für Lehrerinnen wurde erst 1920 aufgehoben. Bis dahin war es den „Fräulein Lehrerin“ verboten zu heiraten. 

1900 wird Briesen ans Fernsprechnetz angeschlossen und 1907 wird die elektrische Straßenbeleuchtung, die von der großen Mahlmühle im Dorfzentrum gespeist wird, lobend erwähnt. Die Post erhält 1906 ein neues Gebäude (1903 von Jeske erbaut) und zahlreiche Telegraphennetze gingen über die Häuser hinweg. Bis dahin war die Post im heutigen Bäckerhaus (Ecke Bahnhofsstraße) beherbergt. 

1904 eröffnete Dr. Adolf Franck seine Arztpraxis in Briesen, neben dem Arzt Niedergesäß (der 1905 Briesen verläßt und 1906 stirbt).

Im gleichen Jahr brannte die große Schneidemühle von Jeske ab und wird nach nur 3 Monaten neu aufgebaut. 

1895 erleidet die Glashütte ihren ersten Konkurs. Der Gasthof „Zur Glashütte“ (Heinrich Schulz) und die Brauerei von Otto Titel bangten um ihre Kundschaft. Nach zweijähriger Schließung wird die Hütte im Mai 1897 an I. Schreiber gerichtlich verkauft und wiedereröffnet. Betriebsleiter wird der Mitinhaber Göpfert, Direktor der Glashütte wird Richter. Später wird die Glashütte zur Aktiengesellschaft und danach bis zur endgültigen Schließung 1926 die Tafelglashütten GmbH. Zwischendurch gab es immer wieder Konkurse und Produktionsumstellungen. Am Ende wird ausschließlich Tafelglas (Fensterglas) produziert und die ehemalige Schleiferei wird zum Wohnkomplex (im Volksmund „D-Zug“) für die Hüttenarbeiter umgebaut. 

Doch wieder unterbrach ein Krieg die rasante Entwicklung. 1914 bis 1918 tobte der erste Weltkrieg. Der Nationalismus nahm nun Züge von Größenwahn an. Tatsächlich hatten Deutschland, Österreich und Rußland die Demokratieentwicklung in Europa schlicht verpennt. Die Folge war, daß Deutschland nie einen gesunden Nationalstolz entwickeln konnte, wie etwa Frankreich oder England.

Also zogen die Deutschen mit Jubel in den Krieg, der sich zum ersten Welt- und Kolonialkrieg ausbreitete. 
Russland wurde 1917 nebenbei durch die Petersburger Revolution erschüttert. 1918 waren Millionen Menschen getötet und das Land sowie die Kolonien wurde als blutigen Kriegsbeute unter die Siegermächte aufgeteilt.

Auch Briesener wurden Opfer des Krieges. Kaiser Wilhelm II. hatte nun endgültig ausgedient, ging ins Exil und auch das Briesener Jagdrevier als kaiserliche Spielwiese verlor an Bedeutung. 

Nach Kriegsende versuchten die Betriebe rasch ihre Produktionen aufzunehmen. Die Fabriken, wie die Trikotagenfabrik H. Brand in Kersdorf werden neue Produktionsstätten, die hauptsächlich Frauen beschäftigen. 1920 werden erste Probebohrungen für Braunkohle durchgeführt. In Madlitz wird man z.B. in 70 Metern Tiefe fündig. Aber als Folge des ersten Weltkrieges bricht eine große Wirtschaftskrise aus. 1920 stirbt der Bauunternehmer und Mühlenbesitzer Herrmann Jeske und vermacht sein Erbe an seinen Sohn. Die Firma ist angeschlagen und zum großen Überfluss brennt 1922 die große Jeske-Villa vollständig nieder. 1937 wird eine neue Villa gebaut, die bis heute steht und die Briesener Heimatstube beherbergt.

Ende der 20-er Jahre schlossen die meisten Firmen, auch die neue Glashütte (1926) mit über 220 Arbeitern und die Fabrik für Schnellwerkzeuge (1926). 

Nun entstanden die Ortsgruppen der SPD (1910) und KPD (erhielt 1923 die Hälfte aller Stimmen in Briesen), Rotfrontkämpferbund, Reichsbanner, Arbeitersamariter und Arbeitersportvereinigungen (Turnverein „Blaue Turner“ und „Fichte“), die sich organisierten. Die Arbeiterbewegung in Briesen setzte eigene Maßstäbe, es gab Streiks und Arbeiterstrukturen entstanden.

Die KPD wurde von Walter Schmolka geführt, der später im Zuchthaus der Nazidiktatur ermordet wurde. August Wahlich kam 1919 als Glasmacher nach Briesen und mit den Aktivisten Erich Kalisch, Eduard Pelz, Erich Troyke und Paul Zobel wurde eine eigene Zeitung „Das rote Briesen“ bis 1933 vertrieben.

Diese Bewegung ist für Briesen bemerkenswert, denn die üblichen SA-Truppen mußten außerhalb von Briesen zusammengestellt werden, um in Briesen aufzumarschieren. 

1931 gab es wieder eine Zählung. Briesen hatte nunmehr 188 Häuser und 410 Haushalte, Kersdorf 68 Häuser und 95 Haushalte. Doch viele Hütten- und Fabrikarbeiter zogen fort von Briesen auf der Suche nach Arbeit. Die meisten Menschen lebten inzwischen von der Wohlfahrt und meist in bitterer Armut. Das war dann der Nährboden für radikale Ideologen, zumal die Verdrängung der Religionen neue Freiräume schuf. 

Als Folge dafür kam es 1933 in Deutschland zu einem Machtwechsel und zum Ende der Demokratiebemühungen. Es zog nationales Unheil auf. Die Menschen fanden vorerst wieder Arbeit, auch im Rüstungsbetrieb Pinsch in Fürstenwalde. 
Im Ort entstanden neue Firmen und die Reichsbahn und der Autobahnbau brauchten zusätzlich viele Arbeitskräfte.

Zwar bedeutete die neue Autobahn 1937 auch für Briesen einen kleinen Entwicklungsschub und der Karpfenteich bot eine neue Bademöglichkeit, doch der

2. Weltkrieg brachte am Ende großes Leid und Elend der Bevölkerung. 

Der anerkannte Arzt Dr. Franck verschwand aus Briesen, weil er plötzlich „Jude“ war. Die Männer wurden in Uniformen gesteckt und endeten auf fremden Schlachtfeldern.

Und wieder zogen glorreiche Truppen durch Briesen und in den Krieg. Und wieder war kurz vor Moskau Schluß mit der Eroberung und wieder lag das Land in Schutt und Asche. Ein viele Jahrhunderte altes und ehrwürdiges Land wurde durch die Nazidiktatur in nur 12 Jahren fast vollständig verwüstet. Von historischen Altstädten und handwerklichen Fachwerken, von der deutschen Dichter und Denkerkultur blieb praktisch nichts mehr übrig. Am Ende starben 60 bis 80 Millionen Menschen in diesem unheiligen Krieg.

Doch diesmal marschierte die Rote Armee bis nach Berlin (am 24.04.1945 in Briesen) und besetzte 1945 die befreiten Gebiete. Frauen und Kinder waren mit ihren Habseligkeiten auf der Flucht und der Krieg zeigte endgültig sein grausames Gesicht.

Die meisten Menschen starben in den letzten Kriegsmonaten. 

Deutschland wurde unter den Siegermächten aufgeteilt und Briesen wurde russische Verwaltungszone. Viele Flüchtlinge kehrten geplündert und verzweifelt zurück. Die Kommandantur in Briesen (saß in der ehemaligen Villa Jeske) setzte später eine Volkspolizei-Truppe (Schutztruppe) ein. Der erste Amtsvorsteher nach dem Krieg war August Wahlich, der ehemalige Kommunistenführer aus Briesen. 

In den Nachkriegsjahren herrschte (wie immer nach Kriegen und Zusammenbrüchen) auch in Briesen ein gewisses Chaos. Schließlich waren es nicht nur die Trümmer der Ruinen, die man beseitigen mußte, sondern auch geistige Trümmerlandschaften in den Köpfen der Menschen. Außerdem hungerten die Menschen und Seuchen breiteten sich aus. Ein Krankenhaus wurde in Kersdorf im Gebäude „Ex audi“ der Berliner Stadtmission (später Altersheim) dafür eigens eingerichtet. Allein an Typhus  starben 1945 fast 200 Einwohner. 

1949 gründete man die DDR. Die Menschen hofften auf bessere und friedvolle Zeiten und der Aufbau des Landes begann. 1952 wurde Brandenburg in 3 Bezirke unterteilt und Briesen zum Bezirk Frankfurt zugeordnet. 
Kersdorf und die Kersdorfer Schleuse wurden eingemeindet, zumal es praktisch immer Teile von Briesen waren.

1961 wurde die Berliner Mauer gebaut und der neue Staat zementiert. Bereits 1946 wurde die SED aus Kommunisten und Sozialdemokraten gegründet, 1947 die Jugendorganisation FDJ und andere staatlichen Verbände. Doch wieder wurde das öffentliche Leben von Ideologien und Dogmen durchzogen. 

Nach der Bodenreform (ab September 1945) folgte die sozialistische Verwaltung und für die Menschen ein Neuanfang. Die Menschen hatten endgültig von Kriegen und Flucht die Nase voll. Die Idee einer demokratischen Volksrepublik fand schnell viele Anhänger und dafür galt es die Ärmel hochzukrempeln. 

Briesen erlebte die zweite Blütezeit. Ein neuer Kindergarten (ab 1956 in der Villa Jeske) und die Kinderkrippe (1962 Umzug in die Frankfurter Straße) wurden eingerichtet bzw. umgebaut, Jugendklub und Dorfklub (1949), ein neuer Sportplatz (1950) entstanden und die große Zentralschule wurde zwischen 1952 und 1956 errichtet. Bis dahin wurde in der Villa Dr. Franck (heute Amtsgebäude) und in der Villa Jeske unterrichtet. Die alte Schule wurde in den letzten Kriegstagen zerstört und brannte aus. Sie wurde später wieder aufgebaut und als Landambulatorium eingerichtet (heute Ärztehaus).

Ab 1955 begann der Unterricht in Teilen der neuen Zentralschule, die 1956 mit der Namensgebung „Martin-Andersen-Nexö“ offiziell eingeweiht wurde.

Eine neue Badeanstalt entstand um 1955 am Petersdorfer See (später auch ein Campingplatz) und ab 1952 ein Kinderferienlager (zunächst der Seitenflügel am Gasthof „Zur Kanone“) am Kersdorfer See.  

Die Konsumgesellschaft eröffnete zahlreiche Läden, eine Versorgungsgemeinschaft entstand, die LPG (1953) und die Gärtnerei produzierten im Kollektiv und seit 1947 entstand aus der Briesener Spar- und Darlehenskasse die BHG.

1968 bis 1973 wurde das ACZ (ZGE) gebaut und später die Eigenheimsiedlung in Kersdorf (1978/79). Alte Betriebe wurden mit neuem Leben (volkseigene Betriebe) gefüllt und zahlreiche Wohnungen der Gemeinde entstanden. 
Sport- und Freizeitgruppen wurden gegründet (Blasorchester, Reitverein, Karnevalverein, u.v.m.) und in Briesen gab es viele Arbeitsplätze für die zahlreichen Einwohner.

1960 lebten inzwischen 2328 Menschen in Briesen. Niemals zuvor hatte der Ort so viele Einwohner. 

Die DDR stellte aber auch ganz eigene Ansprüche und so wurden einzelne Waldgebiete um Briesen zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Das MfS (Staatssicherheit unter Mielke ab 1950) beschlagnahmte auch das alte Forsthaus an der Flut und betrieb dort still und heimlich einen Terroristenstützpunkt für die RAF-Aktivisten. Dort wurden die westdeutschen Bombenleger geschult und erhielten eine neue Identität. Sie lebten dann als brave DDR-Bürger im ganzen Land versteckt.

Es war ja schließlich „Kalter Krieg“ in manch heißen Phasen.

Als dieses Geheimdienstkapitel später öffentlich bekannt wurde, waren die Briesener genauso geschockt wie der Rest von Deutschland. Langsam kamen aber bei den Menschen auch die ersten Zweifel auf, ob die Volksrepublik tatsächlich demokratisch war und ob die Staatsgrenzen wirklich nur Schutzwälle nach außen darstellten. Die Unzufriedenheit nahm zu. Doch die meisten Menschen hatten sich eingerichtet im neuen System. Doch die Losungen der Einheitspartei standen mehr und mehr im Widerspruch zum tatsächlichen Leben der Menschen. 

Dann kam zwar kein Krieg aber eine böse Entdeckung, die man fast vergessen hatte. Briesen stand praktisch auf Braunkohle und 1982 wurde der Ort und die Umgebung als Braunkohleschutzgebiet gekennzeichnet. Der Tagebau sollte 1995 eröffnet und bis dahin Briesen umgesiedelt werden. Per Gesetz gab es einen Baustop und nur kleine Baumaßnahmen konnten genehmigt werden. Die Kaufhalle, die seit vielen Jahren als Bauruine im Ortszentrum stand, konnte erst 1988 fertiggestellt und eingeweiht werden.

Es wäre fast das endgültige Ende der Gemeinde gewesen, wären da nicht die Spree und der hohe Salzgehalt der Kohle gewesen, die die geplante Aktion verzögerte.

Außerdem endete die DDR-Epoche mit dem Fall der Berliner Mauer 1989, ohne daß jemals ein Bagger seine gewaltigen Schaufelräder in den märkischen Sand von Briesen grub. Dieser jahrelange Baustop in Briesen ließ jedoch den Ort mehr und mehr verfallen. 

Inzwischen regte sich Widerstand und die Unzufriedenheit der DDR-Bürger nahm zu. Viele Menschen sahen keine gute Zukunft voraus und flüchteten in Richtung Westen.

Die DDR scheiterte nach 40 Jahren, so wie alle Diktaturen scheitern müssen. 

Im November 1989 begann die Wendezeit mit dem Zusammenbruch der DDR und für die Einwohner wieder ein ziemliches Durcheinander. Grundstücke und Häuser wechselten die Eigentümer und so manch fragwürdiger Geschäftsmann aus Westdeutschland, aber auch aus Brandenburg, tobte sich in diesem Politvakuum aus. Wenige Leute verdienten Geld und die Mehrheit verlor nicht nur die eigene Identität, sondern auch das Eigentum und die Ersparnisse. 
Trotzdem war es bemerkenswert, daß der Zusammenbruch der DDR friedlich und ohne Bürgerkrieg erfolgte.

Deutschland wurde nach 40 Jahren Trennung wiedervereinigt und Berlin zur alten und neuen Hauptstadt ernannt. 
Am 14. Oktober 1900 gab es für die Briesener seit 1933 die ersten freien Wahlen und von Helmut Kohl das Versprechen von blühende Landschaften.

Es sagte allerdings nichts über das genaue Zeitalter, in welchem unsere Landschaft blühen wird. 

Die Ostdeutschen schämten sich fast für die erlebte DDR-Geschichte, obwohl die meisten Menschen selbst Opfer einer sozialistischen Utopie waren. Tatsache ist, daß die Mehrheit der Briesener während der DDR-Epoche ein Leben führte, was durch die Familie und durch gegenseitige Hilfe geprägt wurde. Gegenüber ihren westdeutschen Landsleuten hatten die Ostdeutschen, trotz harter Arbeitsjahre, keine materielle Basis und kein Polster für die nötigen Investitionen, die fällig waren.

Es herrschte vorerst Ratlosigkeit und Stillstand in Briesen.

Doch 1992 wurde der erfahrene Bürgermeister Gerd Schindler wieder ins Amt gewählt. Er hatte schon einige Höhen und Tiefen seiner Gemeinde miterleben müssen. Kein Bürgermeister war jemals länger im Amt wie Schindler. 

Seit etwa 1994 blüht Briesen tatsächlich wieder auf. Der Ort wurde nach und nach saniert, eine neue Sparkasse, Apotheke, eine neue Sporthalle (1995), eine neuer Kindergarten (2003), ein neues Feuerwehrhaus und ein Festplatz entstanden. Der Anger wurde als neuer Marktplatz gestaltet und die Kirche wurde umfangreich saniert. 
Neue Eigenheimsiedlungen wurden erschlossen. Die große Schule und das Ärztehaus wurden 2010 mit viel Aufwand saniert. Die Flutbrücke (1913 bis 1945) wurde neu errichtet, Straßen, Wege und Plätze modern gestaltet und zahlreiche alte und neue Vereine gegründet bzw. wiederbelebt. Große Dorffeste (seit 1999 auch einen Weihnachtsmarkt) und Veranstaltungen für die Einwohner zeugen von der neuen Lebensqualität der Gemeinde. Zahlreiche Vereine betreiben gegenwärtig eine ausgezeichnete Kinder- und Jugendarbeit (Fußball, Angler, Volleyball, Reitverein, Chor, u.v.a.) und beleben aktiv die alte Tradition der Dorfgemeinschaft. Im Jahre 2002 wurde ein neuer Kindergarten gebaut und im Mai 2003 feierlich im Rahmen der 600-Jahr-Feier von Briesen eingeweiht. Damit wurde das alte Gebäude frei und konnte neu organisiert werden. Es entstand 2004 das neue Gemeinde- und Vereinshaus Briesen. Dort wurden die erste umfangreiche Heimatstube von Briesen und ein DDR-Zimmer eingerichtet. Seit 2003 wird durch den Freundeskreis der Ortschronik die Geschichte Briesen intensiv dokumentiert. Viele tausende Fotos, Dokumente und Zeitzeugnisse schmücken heute das stolze Chronikarchiv. 

Es war jedoch mühsam alle verwirrten Eigentumsverhältnisse aus der Vergangenheit zu klären und eine hohe Arbeitslosigkeit belastet die Menschen bis heute. Aber die Briesener sind ein optimistisches Völkchen, die Höhen und Tiefen meistern können. Schließlich waren unsere Vorfahren geduldige Slawen, die mit Veränderungen positiv umgingen. Inzwischen sind die Briesener aus ihrer allgemeinen Ratlosigkeit erwacht und ergreifen mehr und mehr eigene Initiativen. Briesen ist heute eine moderne und kinderfreundliche Gemeinde mit einer vorzüglichen Infrastruktur.

Im Oktober 2006 feierte die neue Schule ihr 50. Jubiläum und 2008 beging die Freiwillige Feuerwehr das 100. Gründungsjubiläum. An der alten Madlitzer Mühle / Madlitzer Fischerhaus (bereits 1897 als Gasthaus betrieben, später Stasi Erholungsobjekt bis 1989) ist ein moderner Hotelkomplex mit Schwimmhalle und Wellnesbereich entstanden und der Verbindungsweg von Briesen wurde asphaltiert. 

Am Ende überstand Briesen die vielen unheiligen Kriege und Plünderungen, war mal Klostereigentum, Universitätsdorf und preußisches Königsgebiet. Napoleon, Friedrich und Willhelm, Nationalisten, Faschisten und Stalinisten, Sozialisten und andere -Isten herrschten über die Briesener Köpfe und waren doch nicht von Dauer. Zweifelhafte Berühmtheiten, wie der Serienmörder Roloff oder die RAF-Terroristen tauchten auf und machten Schlagzeilen, aber auch Töchter und Söhne, auf die man stolz ist (z.B. Sportgrößen wie Boxer Axel Schulz, National - Fußballer Paul Mebus und DDR - Angelmeister Borowczak) und Ereignisse, die Geschichte schrieben, und sei es die Erfindung der „Pommes Fritz“ oder der königliche Abschuß des kapitalen 66 Enders. Walte Ulbricht nächtigte in seinem Sonderzug in Briesen, weil er bekanntlich Flugangst hatte und Kaiser Wilhelm II. war ein ständiger Gast in Briesen, weil er ein leidenschaftlicher Waidmann war. 
Die Briesener nahmen solche Berühmtheiten gelassen hin, denn für die Zukunft bedarf es ein friedliches Miteinander, statt Aufgeregtheiten. Von Ideologien und dumpfen Parolen haben die Einwohner schon längst die Nasen voll. 

Nach über 600 Jahren hat sich Briesen erstaunlich entwickelt und dabei wurden bisher die reizvollen Landschaften um Briesen noch kaum berücksichtigt.

Der Tourismus wird für Briesen eine wichtige Rolle spielen, schon weil Berlin nicht weit ist und Polen endlich zur EU gehört und die Grenze weggefallen sind. Die reizvolle Landschaft und die bisher ungenutzten Seen und Gewässer bieten ein großes Entwicklungspotenzial für eine gastfreundliche Dienstleistung.

Und so keine Kriege und keine neue Eiszeit über das märkische Brandenburg hereinbrechen, wird die Gemeinde Briesen weiterhin blühen und gedeihen.

 

                       

                                                                                                                      Briesen, anno 2008

 

Anmerkung:

 

Daten, Fakten und Bildmaterialen liegen der Gemeinde Briesen aus unterschiedlichen Chroniken vor. Viele Dinge wurden bereits vor Jahren niedergeschrieben.

Meist sind es aber die ganz persönlichen Erinnerungen der Briesener, die eine Chronik überhaupt ermöglichen. 
Umfangreiche Ortschroniken erstellten in sehr mühevoller Arbeit in den letzten Jahren Frau Ursula Pape und Herr Wolfgang Franzek. Inzwischen ist der Freundeskreis der Ortschronik Briesen die eigentliche Quelle der lokalen Geschichtsschreibung.

Die hier zusammengefaßte und gebündelte Geschichte bediente sich vieler Quellen und Berichte, die als Chronik zusammengefasst wurden.

Es gab Kriege und Diktaturen, Friedenszeiten und politische Freiheiten, die sich in Briesen stets nachhaltig auswirkten. 
Für Chronisten ein schwieriges Unterfangen, um alle Ereignisse richtig einzuordnen und zu bewerten, zumal viele Unterlagen verloren-gegangen sind. Daher wird es immer einige Unstimmigkeiten in Zahlen und Daten geben. 
Chroniken leben und erfahren ständig neue Erkenntnisse und haben nicht den Anspruch auf endgültige Vollständigkeit.

Und die Geschichte von Briesen ist untrennbar mit der preußischen Geschichte Brandenburgs verbunden.

Am Ende ist es aber die Geschichte Europas, die sich bis in das kleine Slawendorf Briesen auswirkte und auswirken wird.

Es bleibt zu hoffen, daß es auch zukünftig Briesener geben wird, die unsere eigene Geschichte bewahren.