O d e r - S p r e e K a n a l | |||
Abschrift Neuer Tag 1984 zur Geschichte des Lebuser Landes von Werner Michalsky D e r F r i e d r i c h – W i l h e l m – K a n a l Die Vorgeschichte des Kanals Zu den ältesten Binnenwasserstraßen unserer Gegend gehören der Friedrich-Wilhelm-Kanal und der Finow-Kanal. Der Finow-Kanal wurde in den Jahren 1605 bis 1620 zur Verbindung von Havel und Oder gebaut, geriet nach der Zerstörung im 30-jährigen Krieg über hundert Jahre in Vergessenheit und wurde von 1743 bis 1746 erbeuert. Der Friedrich-Wilhelm-Kanal stellte die erste Verbindung zwischen Oder und Spree im damaligen Lebuser Land her. Teilabschnitte des Kanals sind unter der Bezeichnung „Neuer Graben“, „Kaisergraben“, „Alter Graben“, „Müllroser Kanal“ und „Brieskower Kanal“ bekannt. Der Initiator des Kanals war Karl IV. (Regierungszeit 1346 – 1378), König von Böhmen einschließlich Schlesien und Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation. Er hatte 1373 die Mark Brandenburg erworben. Der schlesische Handel fühlte sich durch hohe Zölle und das Stapelrecht der Hansestädte Frankfurt a.O. und Stettin (Szeczin) beeinträchtigt. Die Hansestadt Hamburg war dagegen großzügiger, es fehlte nur eine günstige Wasserstraße. Kaiser Karl IV. erörterte den Plan eine Binnenwasserstraße zwischen Schlesien und der Nordsee, über Fürstenberg an der Oder und Tangermünde an der Elbe. Er versuchte die völlig darniederliegende Verwaltung zu reorganisieren, um die Einkommensquellen des Landes erträglicher zu machen. Er ließ eine erste Bestandsaufnahme anfertigen, die in dem „Landbuch der Mark Brandenburg von 1375“ ihren Niederschlag fand. Der Einfluß des Kaisers auf die Idee des Kanalbaus ist typisch für die damalige Zentralgewalt im Deutschen Reich. Unter Kaiser Ferdinand I. (Regierungszeit 1556 – 1564) und den Hohenzollern, die seit 1415 die Mark Brandenburg beherrschten, wurde aus verschiedenen Varianten eine realisierbare Lösung für das Kanalprojekt gefunden. Am 01. Juli 1558 schlossen kaiserliche und kurfürstlich-brandenburgische Räte den Vertrag von Müllrose. Als Bevollmächtigte des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. fungierte Dr. Kaspar Wiederstät, Bürgermeister von Frankfurt a.O. und Hieronymus Reiche, Bürgermeister von Berlin. Nach diesem Vertrag wollte jeder Partner eine Hälfte des Kanals einschließlich der Schleusen bauen. Der Kaiser den Kanalabschnitt vom Wergen-See, den die Spree bei Neubrück/Neuhaus durchfließt, bis Müllrose und der Kurfürst die andere Hälfte von Müllrose unter Benutzung der Schlaube bis zum Brieskower See, einem Seitenarm der Oder. Der erste Bauabschnitt Der Kaiser Ferdinand I. ließ die Arbeiten auf der von ihm übernommenen Westhälfte noch 1558 in Angriff nehmen und bis zum folgenden Jahr einen Kanalabschnitt von etwa 2,6 km Länge, den „Neuen Graben“ und heutigen Speisekanal von Neuhaus in Richtung Nordost mit einem Kostenaufwand von 40.000 Talern ausführen. In den Jahren 1561 bis 1564 wurde der Kanal mit einer weiteren Länge von etwa 7,4 km bis an den kleinen Müllroser See herangeführt. Insgesamt waren nun etwa 10 km Kanal fertiggestellt. Die Brandenburger kamen über die Vorbereitungen zu ihrer östlichen Hälfte des Kanals nicht hinaus. Frankfurter Kaufleute und an die Schlaube angrenzende Feudalherren hintertrieben das Projekt. Es gab viele Argumente: Schädigung des Handels in Frankfurt a.O., die Schlaube führe zu wenig Wasser für die Speisung des Kanals, die Mühlen hätten dann kein Wasser mehr, Wiesen und Äcker würden überflutet und viele andere Nachteile würden entstehen. Die Begründungen waren zum Teil durchaus stichhaltig, denn den größten Nutzen der Wasserstraße hatte der Kaiser zu erwarten, der eine günstige Verbindung seiner böhmischen Erblande zu den damaligen habsburgischen Niederlanden suchte. Kurfürst Joachim II. befand sich in einer Zwangslage, denn seine Vorgänger hatten der Hansestadt Frankfurt a.O. mehrfach das Niederlagerecht für alle Waren im Ost-West-Handel bestätigt. Die Frankfurter Niederlage am Kersdorfer See 1564 starb Ferdinand I. und sein Sohn Maximilian II. (Regierungszeit 1564 – 1576) bemühte sich um Fortsetzung des Werkes. Am 04. August 1567 kam es zu einer erneuten Beratung in Müllrose über die Weiterführung des Kanalgrabens. Der kurfürstliche Rat und Amthauptmann von Zossen und Trebbin, Eustrach von Schlieben, vertrat in einem Gutachten über das Kanalprojekt die Interessen der Frankfurter Kaufleute und riet dem Kurfürsten von der Weiterführung des Kanals ab. Er schlug dagegen vor, eine Niederlage am Kersdorfer See zu errichten und von dort den Landweg nach Frankfurt a.O. zu nehmen. Im Jahre 1588 wurde ein Stichkanal von etwa 1 km Länge von der Spree zum Kersdorfer See gegraben und an dessen Südost-Ufer ein Umschlagsplatz, die „Frankfurter Niederlage“ gebaut. Die Frankfurter hatten damit ihr Stapelrecht gesichert. Für die auswärtigen Kaufleute verkürzte sich zwar der Landweg, aber Stapelzwang und zweimaliges Umladen der Waren blieben. Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges Der 30-jährige Krieg (1618 – 1648) brachte für die Mark Brandenburg unermeßlichen Schaden. Fast 40 Prozent der Bevölkerung waren durch Kriegshandlungen oder Pest und andere Seuchen ausgerottet. Ganze Dörfer lagen wüst. Trotz hoher Preise brach die Landwirtschaft völlig zusammen, Handel und Gewerbe funktionierten nicht mehr. Nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens blieben Vorpommern einschließlich Stettin und die Oder bis kurz vor Schwedt unter schwedischer Oberhoheit. Die Schiffahrt auf den verwahrlosten märkischen Flüssen behinderten angeschwemmter Sand, Strauchwerk und umgestürzte Bäume. Die Schiffer mußten „Vorfließer“ bezahlen, um die Fahrrinne freizumachen und sich durchlotsen zu lassen. Wildwuchs an den Ufern erschwerte das Treideln (Boote vom Ufer aus mit Seilen schleppen) flußaufwärts. Selbst die Fahrrinne der Oder hatte meist nur schmale Kahnbreite. Kurfürst Friedrich Wilhelm (Regierungszeit 1640 – 1688) erließ nach 1655 mehrere Edikte (Gesetze) zur Flußräumung. Der stark angestiegene Überseeverkehr zwischen Europa, Amerika und Ostasien führte besonders in den Niederlanden zur erhöhten Nachfrage an Getreide, Holz, Vieh und Textilien. Der Warenverkehr zwischen Ost und West gewann vorherrschende Bedeutung. Die Ost-West-Handelsstraßen gingen jedoch an der Mark Brandenburg vorbei, entweder über Danzig und die Ostsee oder Görlitz durch Sachsen nach Hamburg. Die Fortführung des Kanalprojektes Zur Wiederbelebung der Wirtschaft in der Mark Brandenburg wurde die Kanalisierung der Schlaube erneut in Erwägung gezogen. Am 09. Januar 1657 berichteten der Generalquartiermeister Jacob von Holst und der Inhaber der Komturei Lietzen, Maximilian von Schlieben, dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der als der „Große Kurfürst“ in die Geschichte eingegangen ist, über die Ortsbesichtigung. Danach war der verfallene „Neue Graben“ noch vorhanden und wiederherstellbar. Dieser Teilabschnitt wurde dann später zum „Alten Graben“. Wasserführungen und Gelände der Schlaube befand man für die Kanalisierung als geeignet. Zu Vermessungsarbeiten kam es aber erst auf wiederholten Befehl des Kurfürsten im Jahre 1660. An der Grundsteinlegung 1662 nahm der Kurfürst Friedrich Wilhelm persönlich teil. Die Müllroser Chronik berichtet darüber: „Anno 1662, am 07. Juni, ist Ihre Kurfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg bei der Kaisermühle angelangt und folgenden Tag der Anfang zum Schiffgraben gemacht worden.“ Die Kaisermühle ist nach dem ehemaligen Besitzer Gore Keyser genannt, der dort 1495 eine Brettmühle hatte. Mit der Bauausführung des Kanals beauftragte der Kurfürst seinen Kammerherrn und Kaufmann Philipp de Chieze und ernannte ihn zum „Amthauptmann von Biegen“. Den Bau der Schleusen übernahm der erfahrene Holländer Matthias Smids, der seit 1653 als Hofbaumeister in Diensten des Kurfürsten stand. Das Gefälle des Geländes für die Kanaltrasse vom Scheitelpunkt Müllrose in Richtung West maß etwa 4 Meter und in Richtung Ost etwa 24 Meter. Die Wasserführung des gesamten Kanals erforderte 14 Schleusen. 8 Brücken mußten zur Überquerung des Kanals geschlagen werden. Die Müllroser Chronik berichtet über die Bauarbeiten 1662: „ … und haben in diesem Jahre 500 Mann ohne die Zimmerleute daran gearbeitet, im folgenden Jahr aber 600 Mann, 1664 und 1665 haben 500 Mann daran gearbeitet.“ Alle Bauten, wie Brücken, Schleusenkammern und Schleusentore, bestanden aus Eichenholz. Die Zimmerleute verarbeiteten für eine Schleuse 5 Schock (300 Stück) Eichenstämme. Tausende Baumstämme mußten in der Umgebung bis Neuzelle geschlagen und auf unbefestigten Wegen herangeschafft werden. Dabei gab es größte Schwierigkeiten. Nach einer kurfürstlichen Verordnung vom 24. März 1662 hatten „die Städte Frankfurt, Fürstenwalde, Beeskow, Storkow, Peitz und Cottbus ihre Pferde neben benötigten Knechten herauszugeben und dieselben zur Anfahrung des Holzes an die Schleusen beim neuen Graben“ zur Verfügung zu stellen. Die Städte reagierten nicht oder nur sehr zögernd und mußten nach einem weiteren Befehl „widrigen Falls der militärischen Execution gewärtig sein.“ Auch die Beschaffung von Arbeitskräften wurde kompliziert. Im Jahre 1666 arbeiteten noch 200 Mann und 1667 nur noch 150 am Kanal. Teilweise kam Militär bei den Bauarbeiten zum Einsatz. Unter mancherlei Schwierigkeiten wurde der Kanal im August 1668 fertiggestellt. In Anwesenheit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm eingeweiht und nach ihm benannt. Auf der Kanalsohle eines noch trockenen Abschnittes bei Müllrose, labten sich die erlauchten Gäste an einer Festtafel. Danach wurde der Kanalabschnitt unter Böllerschüssen geflutet. Über eine Anerkennung der Leistungen der Kanalarbeiter vermeldet die Chronik nichts. Die Gesamtlänge des Kanals betrug etwa 24 km, die Wasserspiegelbreite etwa 18,8 Meter und die Tiefe 1,8 bis 2 Meter. Im Frühjahr 1669 begann die Schiffahrt auf dem Kanal. Ein Kahn konnte 5 bis 7 Tonnen Ladung aufnehmen und war mit einem Steuermann und zwei Schiffsknechten besetzt. Am 27. Februar 1669 gingen 5 Oderkähne in Schlesien ab, passierten am 08. März den „Neuen Graben“ und kamen am 12, März in Berlin an. Dort wurde die Fracht auf größere Hamburger Schuten umgeladen und traf am 01. April in Hamburg ein. Von Schlesien bis Hamburg waren 27 Zollstellen zu passieren. Die brandenburgischen Zöllner hatten Befehl, die Schiffe nicht länger als 2 Stunden aufzuhalten. Auch die hannöverischen und mecklenburgischen Zollämter sagten eine beschleunigte Abfertigung zu. Für die Passage des Kanals mußten Gebühren und Schleusengeld entrichtet werden. Eine Schleusung dauerte je nach Wasserstand 15 bis 45 Minuten. Bei starkem Andrang wurde auch nachts geschleust. Die Kanalbenutzung für einen großen Oderkahn kostete im Jahre 1828 insgesamt 8 Taler. Die Fortbewegung auf dem Kanal geschah durch Treideln oder Staken, letzteres ist heute noch im Spreewald üblich. Bei günstigem Wind wurden auch Segel gesetzt. Vorwiegend zogen Menschen oder Pferde von befestigten Treidel- oder Leinpfaden an den Ufern des Kanals die Kähne an langen Leinen in Fahrtrichtung. Die Geschwindigkeiten erreichten mit Menschenkraft etwa 1 bis 1,5 km/h und mit Pferden etwa 2 km/h. Befürworter und Gegner des Kanals Dieser Kanalbau zählte damals zu den größten technischen und wirtschaftlichen Leistungen in Deutschland. Aber dennoch mußte der Kurfürst Friedrich Wilhelm in der Folgezeit seinen ganzen Einfluß geltend machen, um die Lebensfähigkeit des Kanals zu sichern. Die schlesischen Kaufleute fürchteten, daß sie in Berlin, Fürstenwalde oder Müllrose keine Rückfracht erhalten und die Stadt Frankfurt a.O. ihr Stapelrecht gewaltsam durchsetzen würde. Die Frankfurter Kaufleute verleumdeten den Kanal bei den schlesischen Kaufleuten damit, daß ständig Wassermangel herrschte, hohe Zölle und Schleusengebühren erhoben würden und durch ausgedehnte Wartezeiten an den Schleusen die Fahrzeit unzumutbar lang sei. Auch Sachsen suchte die Benutzung des Kanals zu hintertreiben, denn die Transporte auf dem Landweg von Schlesien über Görlitz und Leipzig gingen merklich zurück. Für Berlin wirkte sich der Kanal günstig aus und es wurde berichtet: „1668 war mit dem Müllroser Kanal die längste durchgängige Wasserstraße von Schlesien bis Hamburg fertiggestellt worden, worauf die Schleuse am Friedrichswerder immens an Bedeutung gewann. Ein Hafen und ein Packhof waren dort entstanden.“ Die Instandhaltung der Holzkonstruktionen der Schleusen erwies sich als sehr kosten- und materialaufwendig. In den Jahren von 1697 bis 1716 wurden die Schleusenkammern in Steinausführungen erneuert und die Anzahl der Schleusen von 14 auf zunächst 11 und später sogar auf 8 verringert. Der Kalkstein für den Schleusenbau kam aus Rüdersdorf und Sandstein aus Pirna. Die Schlaube trieb damals 20 Mehl- und Schneidemühlen, 2 Kupfer- und einen Eisenhammer. Die Wasserhaltung im Mühlenstau und die Zeiten des Mühlenbetriebes wurden genau vorgeschrieben. In trockenen Jahreszeiten durften die Mühlen oft nur bei Nacht arbeiten. Die Müller hielten sich nicht strikt an die Vorschriften und es kam häufig zu Wassermangel im Kanal. Der Müllroser Müller Többicke beklagte sich 1682, daß seine „Mülle von den selbigen Fluß, welcher sich in den neigen Graben ergiest, ihren Trieb haben muß, gar schwach und gar wenig mahlen kann.“ Andererseits wurden landwirtschaftliche Nutzflächen durch angestautes Wasser beeinträchtigt. Die Obersten Plettenberg und Wernicke schreiben in ihrem Rapport: „… müssen wir gehorsamst berichten, daß die Untertanen zu Wrießig (Brieskow) und Lindow sich uns angegeben und beklaget, daß ihnen durch Anstauung des Wassers ein gut Teil ihres Ackers wie auch Wiesen und Hopfengärten überschwemmt und ganz untüchtig gemacht worden. Wie wir dann auch den Hammer (Schlaubehammer) besichtigt und solchen ganz im Wasser stehend befunden. Diese Leute alle nun bitten ganz gehorsamst. Ehrwürdige Kurfürstliche Durchlacht möchten sie in Gnaden ansehen und Erstatten ihres Schadens widerfahren lassen…“ 1681 schreibt ein Müllroser Bürger an den Kurfürsten, daß er „dringend klagen müsse, wie nun von 17 Jahren her bei der Erbauung des Neues Schiffgrabens zu Müllrose die meisten Äcker von 4 Hufen Land und Gärten von Wasser verderbet, die fruchtbaren Bäume vertrunken“. Noch im 18. Jahrhundert bereiteten die Schlaubemüller durch eigenmächtiges Anstauen und Ablassen des Wassers der Kanalverwaltung erhebliche Sorgen, so daß Friedrich II. (Regierungszeit 1744 – 1786) am 09. Februar 1769 eine Verordnung erließ, die besagte: „wie derjenige Müller, der sich, sei es so oft es wolle, unterstehen wird, das Wasser anders zu halten, als die Marqueurs (Höhenmarken für Wasserstand) bestimmen, wenn er betroffen wird, für jeden Zoll über oder unter den Marqueurs bei Tage mit 5 Talern, bei Nacht aber mit 10 Talern bestraft werden soll. Wird dieser aber wider Vermuten bei dem einen oder anderen nicht fruchten, so wird derjenige Mülle, der das Wasser nach dem regulierten Marqueurs nicht accurat hält, nicht allein zur Ersetzung allen Schadens angehalten werden, sondern auch, wenn er schon vorher 3 mal an Geld bestraft worden, und zum vierten Mal sich wieder betreffen lassen wird, auf 4 Wochen und dem Befinden nach noch länger anhero zum Arrest nach Hausvoigtei gebracht werden.“ Bis 1840 gab es Streitigkeiten und Prozesse um die Wasserhaltung der Mühlen und um Schadenersatzforderungen. Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) wurden 1759 sämtliche Schleusen und Brücken zerstört, aber später wieder instand gesetzt. Neues Kanalprojekt über den Stobberow Um 1835 setzte in Deutschland die industrielle Revolution ein. Sie erreichte in den 50er und 60er Jahren ihren Höhepunkt. Zu den preußischen Zentren gehörten die Hauptstadt Berlin und Schlesien mit seiner traditionellen Textilproduktion, seinen Bodenschätzen und der aufkommenden Hüttenindustrie. Industriezentren und Städte dehnten sich explosionsartig aus. In der Zeit von 1837 bis 1861 hatte die Berliner Bevölkerung einen Anstieg von 230.000 auf 500.000 Menschen zu verzeichnen. Roh- und Baustoffe, Halbzeuge und Fertigprodukte aller Art mußten in ständig steigenden Umfang transportiert werden. Die Kapazitäten des Friedrich-Wilhelm-Kanals waren voll ausgelastet und es entstand 1845 ein neues Projekt zur Oder-Spree-Verbindung über den Möllensee zwischen Grünheide und Kagel, das Rote Luch, Buckow und den Stobberow, Altfriedland und die Alte Oder, durch das Oderbruch zur Oder. Dieses Vorhaben kam aber nicht zur Ausführung. Die Rekonstruktion des Friedrich-Wilhelm-Kanal Der zunehmende Transportbedarf bedingte größere Lastkähne. Der sogenannte Finow-Maßkahn mit einer Länge von 40,2 Meter, einer Breite von 4,6 Meter und 1,4 Meter Tiefgang wurde üblich. In den Jahren 1827 bis 1868 wurden alle Anlagen des Kanals gründlich erneuert, das Kanalbett vertieft, die Ufer befestigt und die Schleusenkammern so vergrößert, daß sie 2 Finow-Maßkähne nebeneinander aufnehmen konnten. Die Schleusn bekamen eiserne Tore (bis dahin Holz) das waren „Gerippe von Gußeisen mit hölzerner Bekleidung“. In den Jahren 1837 bis 1844 passierten im Jahresdurchschnitt über 8100 Kähne und fast 40.000 zu Flößen verbundene Baumstämme den Kanal. Trotz des zügigen Ausbaus des Eisenbahnnetzes (ab 1840) nahm der Transport auf den Wasserstraßen weiter zu. Um 1860 wurden mehr Waren zu Wasser als zu Lande transportiert. Ab 1872, in den sogenannten Gründerjahren, nahm die Wirtschaft einen beträchtlichen Aufschwung. Die seit 1850 vereinzelt auf der Oder eingesetzten Schleppdampfer wurden nun allgemein üblich und verdrängten das Segeln und Treideln. Für Schlepper mit mehr als einem Kahnanhang war der Friedrich-Wilhelm-Kanal allerdings zu eng und wegen der dichten Folge der Schleusen unwirtschaftlich. Der Friedrich-Wilhelm-Kanal verliert seine Bedeutung Von 1887 bis 1891 wurde der Oder-Spree-Kanal zwischen Fürstenberg a.O. (Eisenhüttenstadt Ost) und dem Seddinsee unter teilweiser Benutzung der alten Trasse des Friedrich-Wilhelm-Kanals gebaut. Der neue Oder-Spree-Kanal hatte damals eine Tragfähigkeit von 400 Tonnen, der Friedrich-Wilhelm-Kanal dagegen nur von 125 Tonnen. Der Verkehr auf dem 9,7 km langen Reststück des Friedrich-Wilhelm-Kanals von Schlaubehammer bis Brieskow ging ständig zurück und nach dem ersten Weltkrieg (1914 – 1918) waren die Schleusen an 3 Tagen der Woche gesperrt und an den anderen Tagen nur 8 Stunden in Betrieb. Die Personenschiffahrt benutzte den Kanal wegen seiner vielen Staustufen nur selten, zumal an Sonntagen nicht geschleust wurde. Anfang der 30er Jahre gab es Erwägungen zur völligen Einstellung der Schiffahrt wegen Unwirtschaftlichkeit des Kanals, aber das Reststück blieb dann noch als Abzweig für kleinere Kähne bis 1945 in Betrieb. Die Zerstörung der unteren Schleusentore in den letzten Kriegstagen, im Frühjahr 1945, blockierte den Verkehr auf dem Kanal völlig. Die Bezeichnung „Brieskower Kanal“ blieb üblich. Die Wiederherstellung des Kanals erwies sich in den 50er Jahren als volkswirtschaftlich nicht mehr erforderlich. Damit ging ein 400-jähriges interessantes Kapitel der Verkehrsgeschichte zu Ende. Der alte Kanal heute, 1984 Wenn auch seit fast 40 Jahren keine Lastkähne mehr auf dem Friedrich-Wilhelm-Kanal fahren und seine Entwicklungsgeschichte in Vergessenheit gerät, so lebt der Kanal doch. Einige Schleusentore wurden zu Wehren umfunktioniert, so daß der Kanal genügend Wasser führt und sich mit anliegenden Dörfern, Bungalowsiedlungen, Wiesen und Wäldern zu einer freundlichen Landschaft vereint, die auf Fahrstraßen und Wanderwegen beiderseits des Kanals gut erreichbar ist. O D E R – S P R E E – K A N A L A u s Z e i t u n g s a r t i k e l (1885 – 1928) Am 04.04.1885 erfolgte die Sperrung des alten Kanals, des Brieskower See und der Spree von Neuhaus bis zur Mündung der Schleuse in Fürstenwalde für Dampfschiffe über 41 Meter Länge und 5,1 Meter Breite. Das Schleppen von mehr als einem Fahrzeug wurde verboten. Auf der Spree zwischen Neuhaus und Fürstenwalde „darf ein zu Berg fahrender Dampfer nur zwei Fahrzeuge im Schlepptau führen“. Dampfschiffe und Schleppschiffe hatten an Schleusen Vorrang und mußten nachts während des Stilliegens beleuchtet sein. Das Befahren für solche Schiffe, die über 128 Fuß Länge und 14,5 Fuß Breite hatten, wurde bereits in einer Verordnung vom 03.10.1865 nur mit Sondergenehmigung gestattet. Die Fahrgeschwindigkeit sollte in Teilen 4 km/h nicht überschreiten. Auf den anderen Teilstrecken betrug die Geschwindigkeit maximal 7,5 km/h. Schiffe aus Schlesien mußten nun einen weiten Umweg mit vielen Schleusen durch den Finow-Kanal zur Spree machen. Eine direkte Oder-Spree-Verbindung wurde notwendig. Teile des alten Friedrich-Wilhelm-Kanals, die 11,5 km von Schlaubehammer bis Neuhaus, sollten mitgenutzt werden. Insgesamt würde der Oder-Spree-Kanal 85 km Länge betragen. Am 01. Oktober 1886 wurde das Hauptbüro in Fürstenwalde eingerichtet. Im Frühjahr 1887 begann der erste Bauabschnitt zwischen Fürstenwalde und Seddinsee. Am 14.11.1887 fand die Vergabe der Ausschreibung für den Oder-Spree-Kanal statt. Die Ausschreibung für das Baustück alter Friedrich-Wilhelm-Kanal bis Kersdorfer See mit Schleuse erfolgte erst im Dezember 1887. Der Kanalbau plante zahlreiche massive Schleusen mit 55 Meter Länge und 8,6 Meter Breite, Brücken aus Stahl und Unterführungen von Gräben durch „eiserne Dücker“ unterhalb des Kanals. Fünf auseinander liegende Stellen wurden benannt: Kersdorf, Fürstenwalde, Große Tränke, Spreenhagen und Wernsdorf. Bei Neuhaus, wo der alte Friedrich-Wilhelm-Kanal mündete, sollte ein Pumpwerk errichtet werden, welches bei Bedarf das Wasser der Spree in den Kanal über den Speisekanal förderte. Die Müllroser Schleuse würde dann nicht mehr gebraucht und abgerissen werden. Insgesamt sollten 7 Schleusen den Wasserstand regeln. 1888 begannen auch die Aushubarbeiten im Kanal bei Fürstenberg a.O. und eigens dafür wurden Schienen verlegt, um das Erdreich mit „Kipp-Lowrys“ zu transportieren. Um das Höhengefälle zwischen Kanal und Oder zu überbrücken, wurden nacheinander 3 Schleusen mit Staustufen geplant. Die Spree zwischen Kersdorfer Schleuse und Fürstenwalde sollte mit Durchstichen begradigt und verkürzt werden. Die Straße Alt-Hartmannsdorf – Stahnsdorf - Storkow wurde stillgelegt, da der neue Kanal die Straße durchschnitt. 1888 begann der Bau der Kersdorfer Schleuse. Die alte Mündung des Kersdorfer See wurde zugeschüttet und eine neue Fahrrinne ausgebaggert. Teilweise arbeiteten 100 Mann an diesem Bauabschnitt. Am Kersdorfer See entstand ein Bau-Restaurant von A.Timm. Es wurde neu festgelegt, daß nach Fertigstellung des Kanals die Fahrzeuge bis zu 55 Meter Länge und 8 Meter Breite betragen dürfen. Die Ufer sollen mit Kalksteinen befestigt werden. Im Mai 1889 fuhr der Dampfer „Hertha“ erstmalig mit Ehrengästen von Jannowitzbrücke bis Köpenick, dann in die Dahme, durch den Langen- und den Seddinsee bis zum Anfang des Kanals zum Durchstich des „Schmöckwitzer Werders“ und der Wernsdorfer Schleuse. Am 20.09.1889 sind die Erdarbeiten der neuen Kanals von der Buschschleuse bis Kersdorfer Schleuse abgeschlossen. Ausschreibug der neuen Kanalbrücke „Freiarche“ bei Fürstenwalde mit 49 Tonnen Schmiedeeisen und 13,8 Tonnen Wellblech erfolgte. Das erste Schiffsunglück an der Kersdorfer Schleuse passierte im November 1890, als ein Kahn mit Kalksteinen durch ein Leck sank. 1890 passierten 7.176 Schiffe und 1.670 Flöße die Fürstenwalder Schleuse, 1891 bereits 13.300 Fahrzeuge. Das waren 1890 namentlich 15 verschiedene Dampfer, 1891 bereits 46 verschiedene Dampfer. Hauptsächlich wurden Kohle aus Schlesien transportiert. 1891 wurde der neue Oder-Spree-Kanal nun auch offiziell eingeweiht und eröffnet. Die Kanalkosten beliefen sich insgesamt auf 12,6 Millionen Mark. Es entstanden 7 Schleusen, 1 Wehr, 23 Brücken einschließlich Schleusenbrücken, 8 Dücker und 9 Schleusenmeister- bzw. Buhnenmeistergehöfte und das Gebäude des Bauhofes in Fürstenwalde. 6 Millionen Kubikmeter Erde wurden ausgehoben, 740 Hektar Land gekauft und 3 große Mühlenbesitzungen. Für Bauwerke gab man insgesamt 5,04 Millionen Mark aus. Die Bauleitungskosten betrugen 500.000,-Mark, also 4 Prozent der gesamten Bausumme. Am Kersdorfer See entstand ein großes Ausflugsrestaurant. Dampfschiffe mit Gästen kamen von Fürstenwalde zum Wochenende über den Durchstich zum Kersdorfer See 1893 war die größte Tagesleistung an der Kersdorfer Schleuse 105 Schiffe. Das neue Tanzlokal „Zur Kanone“ wurde eingeweiht. 1895 wurde die Müllroser Schleuse endgültig abgerissen. 1897 mußte die Kersdorfer Schleuse für Sanierungsarbeiten kurzzeitig gesperrt werden. Am 13. Juli 1904 wurde die zweite Schleusenkammer in Wernsdorf und an der Kersdorfer Schleuse eröffnet. Der Regierungsdampfer „Mark“ kam eigens dafür aus Potsdam. 1905 wurde ein Sparbecken an der Kersdorfer Schleuse zwischen den beiden Schleusenkammern gebaut, das alte Schleusenbecken saniert. 1907 galten folgende Schleusengebühren: Große Frachtschiffe (über Finowmaß) 30 Pfennig Kleine Frachtschiffe, 20 Pfennig Dampfer und Kraftboote jeder Größe, 20 Pfennig Gondeln und Sportboote, 5 Pfennig Flöße je 10 Quadratmeter, 1 Pfennig Außerhalb der Betriebszeiten, 2 Mark 1910 erfolgte die Sperrung der Schleusenbrücke für 1 Monat wegen Umbau, Ausweichmöglichkeiten über die Sandfurtbrücke oder Flutbrücke. Die Wasserstände unterlagen zeitweise großen Schwankungen. Das Wehr bei Drahendorf mußte regelmäßig aufgerichtet und konnte für die Flöße nicht benutzt werden. Daher mußte der Verkehr über den Speisekanal und Neuhaus erfolgen. 1919 erfolgte ein Neubau der Schleusen Große Tränke und Kersdorfer Schleuse, verzögerte sich jedoch durch Streiks der Arbeiter. 1922 wurde eine Schleppzugschleuse von 225 Meter Länge für Wernsdorf, Große Tränke, Fürstenwalde und Kersdorf geplant. Am 10. August 1928 passierte in der Kersdorfer Schleuse ein schweres Schiffsunglück, wobei die Schleuse stark beschädigt wurde. Z E I T T A F E L 1373 Karl IV. erwirbt die Mark Brandenburg und plant eine Binnenwasserstraße zwischen Schlesien und Nordsee 1415 Die Hohenzollern werden Markgrafen der Mark Brandenburg 1539 Reformation in der Mark Brandenburg 1558 Am 01. Juli, der Vertrag von Müllrose zwischen Kaiser Ferdinand I. und Kurfürst der Mark Brandenburg Joachim II. über den Kanalbau 1558-1559 Kaiser Ferdinand I. baut den „Neuen Graben“ von 2,6 km Länge 1561-1564 Weiterführung des Kanals bis zum kleinen Müllroser See, 7,4 km Länge mit der Bezeichnung „Kaisergraben“ 1567 Am 04. August, Beratung in Müllrose über die Fortsetzung des „Kaisergrabens“ 1576 Die Elbschiffahrt wird für Böhmen freigegeben, der Kanal gerät in Vergessenheit für fast 100 Jahren 1588 Gründung der „Frankfurter Niederlage“ am Kersdorfer See und Bau eines Stichkanals von 1 km Länge zur Spree, weiterer Warentransport mit Fuhrwerken auf dem Landweg zwischen Kersdorfer See und Oder 1618-1648 Dreißigjährige Krieg, Zerstörung und Verwüstung der Mark Brandenburg 1650 Der Warenverkehr in Ost-West-Richtung wird vorherrschend 1657 Ortsbesichtigung zur Wiederaufnahme des Kanalprojektes 1660 Vermessung der Kanaltrasse 1662 Am 02. Juni, Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm zum Bau des Kanals 1662 Am 10. Juni, Grundsteinlegung bei der Kaisermühle 1662 Beginn der Wiederherstellung des verfallenen „Neuen Grabens“ und des „Kaisergrabens“ und der Bezeichnung „Alter Graben“ Zeitweise arbeiten 500 bis 600 Mann auf der Baustelle 1668 Im August ist der Kanal mit 24 km Länge fertiggestellt 1669 Beginn des Schiffverkehrs, Treideln und Staken 1697-1716 Alle Holzschleusen werden als Steinbauten saniert 1756-1763 Siebenjähriger Krieg 1759 Preußische Niederlage nahe bei Frankfurt a.O., sämtliche Schleusen und Brücken werden zerstört 1827-1868 Generalreparatur des Kanals, Erweiterung der Schleusen, Vertiefung des Kanalbettes 1835 Beginn der industriellen Revolution, erhöhter Transportbedarf 1840 Bau der Eisenbahnlinie zwischen Berlin und Frankfurt a.O. 1845 Brückenbau an der Kersdorfer Mühle, Weg zur Flut 1850 Erste Dampfschiffe kommen zum Einsatz 1882 Bau der Spreebrücke in Neubrück 1885 Sperrung für die gesamte Dampfschiffahrt 1887-1891 Oder-Spree-Kanal gebaut, unter Benutzung der alten Kanaltrasse 1887 Ausschreibung zum Bau des neuen Kanals mit 85 km Länge und einer Breite am Wasserspiegel von 23 Metern 1888 Baubeginn der Kersdorfer Schleuse und neue Fahrrinne zwischen Spree und Kersdorfer See, mit Verlegung der alte Seemündung 1888 Überbrückung der alten Sandfurt durch die anliegenden Bauern 1891 Am 01. Mai ist feierliche Eröffnung des neuen Oder-Spree-Kanals 1893 Eröffnung des Gasthauses „Zur Kanone“ am Kersdorfer See 1904 Eröffnung der zweiten Schleusenkammer der Kersdorfer Schleuse 1914-1918 Erster Weltkrieg 1937 Bau einer neuen Schule neben der Kersdorfer Schleuse am Rehhagen 1939-1945 Zweite Weltkrieg 1945 Zerstörung der unteren Schleusentore, auf dem alten Friedrich-Wilhelm-Kanal ist die Schiffahrt nicht mehr möglich 1950 Beginn der Wiederaufbaus des Oder-Spree-Kanals und Schleusen 2010-2013 Neubau der verlängerten Nordkammer, Modernisierung und Grundsanierung der Kersdorfer Schleuse mit Tonabdichtung des Kanals |