Zwangsarbeiter Geschichte |
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Jüdisches
Forsteinsatzlager in Kersdorf Zusammenfassung aus den Archivdokumenten
Die
Reichsvereinigung der Juden war die Nachfolgeorganisation der „Reichsvertretung
der Deutschen Juden“ und wurde von den Machthabern im Juni 1939
übernommen und kontrolliert. Ihr Hauptsitz war in Berlin-Charlottenburg,
Kantstraße 158. Alle Personen, die nach den „Nürnberger Gesetzen“
als Juden galten, wurden zwangsweise eingegliedert, registriert
und mußten Pflichtbeiträge entrichten. Anfangs verhalf die „Reichsvereinigung
der Juden“ ihren Mitgliedern zur Flucht aus Deutschland, später
mußten Deportationen mitorganisiert werden. Alle Weisungen der nationalsozialistischen
Machthaber mußten ab 1939 bedingungslos umgesetzt werden. Alle Juden
wurden registriert und jüdische Geldvermögen eingetrieben, gleichzeitig
wurden davon jüdische Einrichtungen, Schulen und die Wohlfahrtspflege
bezahlt, aber auch Liegenschaftsübertragungen und die Deportationskosten.
Die SS unter Hauptsturmführer Fritz Wöhrn hatte die sogenannte Dienstaufsicht
über die „Reichsvereinigung der Juden“. In Kersdorf waren jüdische Lager zur Zwangsarbeit vermutlich ab 1939/1940 eingerichtet. Die
Juden in Kersdorf waren in den Sälen der Gasthöfe Gruschke und Schulz,
sowie in den Stallgebäuden der Kersdorfer Mühle untergebracht. Dieses
Kersdorfer Lager war dem KZ Sachsenhausen angegliedert. Anfangs
arbeiteten sie in der Landwirtschaft, später im Forst. Hier wurden
Harz gewonnen, Bäume gerodet und neue Wälder gepflanzt. Ein Waldstück
zwischen Autobahn und Beeskower Straße wurde später als „Judenwald“
Aus
dem Nationalarchiv der USA geht hervor, daß am 19.04.1943 mit dem
Wie
viele Juden insgesamt in Kersdorf untergebracht und gesammelt wurden,
läßt sich nicht feststellen. Bis 1944 wurden im Umland die kleineren
Lager aufgelöst und in Kersdorf zentralisiert. Von Kersdorf aus
wurden die Menschen endgültig in die Vernichtung transportiert. So waren 20 jüdische Mädchen, zwischen 18 und 25 Jahren, im Gasthof von Emil Gruschke in Kersdorf 1943 untergebracht, die in der Briesener Batteriefabrik „Zeiler“ arbeiten mußten. Später wurden sie im Hüttenviertel untergebracht und waren ab Weihnachten 1944 nicht mehr im Ort. Später wurde berichtet, daß die Mädchen im KZ Theresienstadt getötet wurden. In „Zeilers Batteriefabrik“ in Briesen wurden große Batterien für die Wehrmacht hergestellt. Neben den jüdischern Mädchen waren auch Frauen und Mädchen aus der Ukraine und Armenien als Zwangsarbeiterinnen bis Ende 1944 eingesetzt. Italiener waren ebenfalls als Zwangsarbeiter untergebracht, auf dem Gelände des alten „Jeske-Sägewerks“ in Holzbaracken. Außerdem wurden bereits 1940 französische Kriegsgefangene auf dem Grundstück „Henseler“ hinter der Getreidemühle untergebracht. Sie wurden auf Bauernhöfen eingesetzt und vergleichsweise „milde“ behandelt. Davon gibt es einige Fotos, die etwa 35 uniformierte Franzosen, aus Stalag III b, am 1. Dezember 1942 zeigen. (Erinnerungen von Frau Pape) Zeitzeugen
berichteten, daß im Frühjahr 1943 Juden aus Berlin nach Kersdorf
kamen und später in die Konzentrationslager abtransportiert wurden.
Der Sprecher dieser Gruppe hieß Herr Salomon und sagte zur Verabschiedung
an die Gastwirtin des Hauses, Der Gastwirt Emil Gruschke starb bereits 1944 und hinterließ seiner Frau Charlotte und seinem Sohn Emil junior die Wirtschaft. Charlotte versteckte in den letzten Kriegstagen zwei Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine, die vorher bei einem Bauern in Kersdorf untergebracht waren und nun schutzlos durch den Ort irrten. Beide Frauen überlebten den Krieg in Gruschkes Obhut. (Erinnerungen von Herrn Gruschke junior) Im Internet sind die Geschwister Edith und Hans Oppenheim aus Falkenhagen benannt, die im Arbeitslager „Forstlager Kersdorf“ untergebracht waren. Nach ihrem Abtransport nach Auschwitz verliert sich ihre Spur. Auch sie überlebten vermutlich nicht das Vernichtungslager der Nazis. (www.synagoge-petershagen.de) Von
den Brüdern Alfred und Rudolf Robert, damals 23 und 28 Jahre alt,
ist ein Foto vier Wochen vor ihrer Deportation im Lager Kersdorf
gemacht worden. Lore
Weinberg (später verh. Shelley) hat ihre Geschichte aufgeschrieben.
Als ihre jüdische Schule in Berlin im Mai 1941 geschlossen wurde,
kam sie ins Lager nach Kersdorf. Sie mußte bei Bauern, in dem Forst
und in der Fabrik arbeiten. Dann wurde sie nach Auschwitz transportiert,
wo sie am 20.04.1943 eintraf. Bürgermeister und Amtsvorsteher in Briesen waren ab 1933 Herr Kobbus, in Kersdorf Herr Saarmann. Im gesamten Kreis Lebus 1933 wurden 104.593 Einwohner gezählt. Darunter 363 Juden. Im Jahre 1939 waren es insgesamt 105.080 Einwohner, darunter 194 Juden. Weitere Lager für Juden und Zwangsarbeiter gab es auch im Umland von Briesen und Kersdorf. In
Jacobsdorf waren Juden für die Zwangsarbeit in einer Kate vom „Gabkeschen
Haus“, dem Grundstück des Bauern Herrmann Heidenreich untergebracht.
Die Insassen wurden meist für schwere Holzarbeiten und Forstpflanzungen
in der Nähe von Treplin und Jänickendorf eingesetzt. Auch die evangelische
Kirche in Jacobsdorf und einzelne Bauern profitierten von den Zwangsarbeitern.
Hans Heilborn überlebte seine spätere Deportation ins KZ Theresienstadt
und konnte als Zeitzeuge berichten. Ein anderer Zeitzeuge ist Gerhard
Beck, der im Sommer 1943 im Lager war. (Ortschronik Briesen) Ein größeres Lager befand sich am linken Ortseingang von Madlitz. Dort waren Frauen und Kinder meist aus der Ukraine untergebracht. Als Zwangsarbeiterinnen wurden die Frauen und Mütter auf dem Gut der Finckensteins eingesetzt, während die Kinder sich tagsüber selbst überlassen wurden. (Ortschronik Briesen) Im
Jahre 2012 entdeckten Briesener Einwohner auf einem Dachboden in
Kersdorf alte Karteikarten aus dem Jahr 1943 und 1944. Es sind polizeiliche
Meldekarteien für Kriegsgefangene, die meist aus Holland und Frankreich,
aber auch aus Rußland stammten und in Lagern in Berlin Spandau und
Staaken interniert waren. Bis heute ist nicht bekannt, warum diese
Registrierkarten in Kersdorf lagerten und ob diese Menschen nach
Kersdorf oder Briesen zur Zwangsarbeit verlegt wurden. Sina
Ohorochdina, 1926 geboren in Stalino, Rußland
1938
begann die Planung einer Produktionsanlage für chemische Giftstoffe
in Falkenhagen. Das sogenannte „Seewerk“ war ursprünglich das Schloßgelände
in Falkenhagen. Über 3000 ha Waldgebiet wurde für die Wehrmacht
gekauft und das alte Schloß gesprengt. Wegen der Geheimhaltung sollten
keine Landmarkierungen vorhanden sein. 12.000 Zwangsarbeiter bauten
innerhalb von 3 Jahren ein unterirdisches Werk mit 5 Etagen in die
Erde von Falkenhagen. Dafür benötigte man einen neuen Gleisanschluß
zwischen Briesen und Falkenhagen sowie neue Rangierstellen. 1940
begann der Bau der 14 km langen Bahnstrecke. Ein zweiter und überdachter
Umschlagbahnhof von 120 Meter Länge entstand in Briesen, wo sich
heute der Bahnparkplatz befindet. Die eingleisige Strecke führte
direkt durch Waldgebiet über Madlitz nach Falkenhagen. Die Züge
fuhren dort komplett in die unterirdische Fabrikanlage. Menschen
und Material transportierte man nun in großer Anzahl mit der Eisenbahn
direkt in die unterirdische Fabrik. Nicht nur Zwangsarbeiter wurden
dort eingesetzt, sondern auch Leute aus Frankfurt a.O., Fürstenwalde,
Briesen und Madlitz benutzten regelmäßig den Zug zwischen Briesen
und Falkenhagen. 1943 begann die Produktion von „N-Stoff“ für die
„IG-Farben“. Zur Tarnung erhielt das Werk in Falkenhagen die Anschrift:
„Turon GmbH Briesen“, wurde später in „Monturon“ umbenannt. Da die
Sarinproduktion in Dyhernfurt ab 1943 nicht mehr sicher vor Bomben
war, plante man die Produktion von Sarin II in Falkenhagen. Sarin
war ein Gift zur Tötung von Menschen. 1,5 Gramm reichte für die
Tötung eines Menschen aus. In Falkenhagen sollten 500 Tonnen monatlich
produziert werden. Die SS übernahm 1944 das gesamte Werk und begann
mit dem Bau einer Fabrikerweiterung. Ab Sommer 1945 sollte die Sarinproduktion
in Falkenhagen beginnen.
R. Kramarczyk – Ortschronik Briesen (Mark) – 2013 |